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Dave bewacht Kunstwerk im Museum

NippleJesus im Kunstmuseum Celle

Cellesche Zeitung 02.05.2011 – von Jörg Worat

Nein, ein Kunstsachverständiger ist Dave wirklich nicht. Dass es als Aufsicht im Museum gelandet ist, liegt daran, dass sein vorheriger Job als Türsteher schlicht zu gefährlich wurde. Nun erzählt uns Dave von seiner Begegnung mit „NippleJesus“  -so heißt eine Geschichte von Nick Hornby, die das Schlosstheater zur Premiere brachte.

Dave bewacht Kunstwerk im Museum

Daniel Brockhaus in der Rolle des schrägen Museumswärters - Foto: Jochen Quast
 
CELLE. So viel vorab: Diese Aufführung ist sehenswert. Sie hat sogar das Zeug zum Publikumsrenner und könnte durchaus hannoversche Verhältnisse heraufbeschwören – am dortigen Staatstheater läuft das Stück seit Jahren mit großem Erfolg. Der Text ist ebenso amüsant wie klug, und die Celler Inszenierung bringt diese Stärken klar zum Vorschein. Kritisieren kann man sie in der einen oder anderen Hinsicht trotzdem.

„NippleJesus“   ist ein Kunstwerk, das Dave bei seinem Amtsantritt bewachen soll: eine große Christusfigur, zusammengesetzt aus unzähligen Minifotos von Brustwarzen. Dave zeigt sich zugleich fasziniert und angewidert, kann die Gedanken nicht mehr von der fremdartigen Darstellung lösen und beginnt sie alsbald vehement gegen kritische Museumsbesucher zu verteidigen. Allerdings verwirren ihn die Begegnungen mit der Künstlerin, die schließlich eine überraschende Pointe auf Lager hat…

All das erzählt uns der frischgebackene Museumswärter im Rückblick, ist dabei sehr komisch und wirft doch eine elementare Frage auf: Sollen Kunstwerke nur einem elitären Publikum etwas sagen oder auch den Daves dieser Erde? Autor Hornby hat seinen Text sehr schön ausbalanciert, übrigens mit einigen Anspielungen auf real existierende Kunst wie Damien Hirsts Tierkadaver-Arbeiten.

Das Regisseur Daniel Zaman aus der Vorlage macht, ist nur bedingt eine Inszenierung im theatralem Sinn. Die Sprache lässt er im Wesentlichen fließen, und Darsteller Daniel Brockhaus verweilt die meiste Zeit an ein und demselben Fleck. Solcher Zugriff ist zwar wenig dramatisch, hat aber seine Berechtigung: Dieser Text würde jedenfalls keine exzentrische Artikulation oder Action vertragen. Zaman, selbst auch bildender Künstler, hat einige Arbeiten, die teils im Vorfeld der Aufführung entstanden sind, in die Bühnensituation integriert. Ein recht pathetisches Video zeigt einen Mann, der sich geißelt und dabei wie ein Mantra „Kunst ist Sünde“ rezitiert – er wird weitestgehend stumm geschaltet. Dann gibt es ein Beuys-Zitat-Objekt und schließlich eine „Peep-Show“ in Form eines Gartenzwergs, der mit einem Bewegungsmelder ausgestattet ist und Pfeiftöne ausstößt.

Man mag darüber streiten, ob all das wirklich eine Bereicherung darstellt oder ob das gehobene Museumsambiente nicht ausgereicht hätte. Der nur sporadisch, dann aber gern sehr beharrlich flötende Zwerg erweist sich jedenfalls als problematisch. Dass er Dave wirklich nicht in Ruhe lässt, kann man mit etwas gutem Willen inhaltlich unterfüttern – schließlich geht es um Konfrontation mit Kunst – doch ist das Piepsen offenbar nicht immer genau zu kontrollieren und bringt den Darsteller punktuell ein wenig ins Schleudern.
Das stört zwar nicht entscheidend, etwas mehr Feinschliff wäre hier aber wünschenswert. Daniel Brockhaus ist dessen ungeachtet mich sichtbarem Spaß und pointensicher bei der Sache, lässt seinen Dave zwar unbedarft, aber letztlich sympathisch erscheinen und macht ihn vor allem niemals lächerlich. Sehr stimmig – wer unbedingt nach Mängeln sucht, mag den einen oder anderen kleine Nuschler bekritteln, während der Darsteller die letzten Sätze etwas überakzentuiert. Nach ziemlich genau einer Stunde ist Schliss, und ein verdienter Monsterapplaus erklingt.