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Die digitale Ironie

Das Kunstmuseum Celle präsentiert eine auseinandersetzung mit neuen Formen und techniken malerischer abstraktion

Hannoversche Allgemeine Zeitung, 18.04.2013 von Michael Stoeber

Hat der Pinsel ausgedient? Wie reagieren Künstler auf die neuen Herausforderungen der Digitalisierung? So fragt laut und werbewirksam der Text, mit dem die Ausstellung „Auf Neustart – Abstrakte Malerei in einer digitalen Welt“ im Kunstmuseum Celle angekündigt wird.

Hat der Pinsel ausgedient? Wie reagieren Künstler auf die neuen Herausforderungen der Digitalisierung? So fragt laut und werbewirksam der Text, mit dem die Ausstellung „Auf Neustart – Abstrakte Malerei in einer digitalen Welt“ im Kunstmuseum Celle angekündigt wird.

Hat man die dort präsentierten Werke von zwölf internationalen Künstlern in Augenschein genommen, sind die Antworten klar. Der Pinsel liegt mitnichten in der Ecke, auch wenn viele neben ihm als Malgerät wahlweise Folie, Fensterwischer, Schaber und Rakel einsetzen oder wie Rainer Splitt die Farbe gleich aus Dose oder Eimer auf den Bildgrund ausschütten. Auf die Herausforderungen der Digitalisierung anders denn als Maler zu reagieren, fällt den ausgewählten Künstlern nicht einmal im Traum ein. Der Computer und seine Möglichkeiten der digitalen Bilderzeugung sind für sie nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Arbeitsmittel. So wie ein Bleistift, sagt Michael Jäger aus Köln, dessen raffinierte Hinterglasmalerei aussieht, als habe er fotografiert, was vor allem am Medium des Bildträgers liegt.

Auf die Beine gestellt haben die sehenswerte Schau zwei Künstler, Claudia Desgranges und Friedhelm Falke, die beide mit eigenen Werken vertreten sind. Falke hat die Idee zu der Ausstellung gehabt. Als Maler arbeitet er seit Jahren mit dem Computer und nutzt dessen Fähigkeit, in Millisekundenschnelle Lösungenfür Gestaltungsprobleme anzubieten. Nach den Anweisungen des Künstlers fügt der Rechner Formen und Farben zu unterschiedlichen Kompositionen zusammen. Bis eine darunter ist, die Falke würdig genug erscheint, um sie als Malerei auf der Leinwand entstehen zu lassen. Ganz ähnlich arbeitet Volker Wevers mit dem Computer. Nur dass er statt eigener Formen Fotos zur digitalen Bearbeitung in das Gerät einspeist.

Die meisten Künstler in der Ausstellung arbeiten allerdings viel weniger mit dem Computer, als es den Anschein hat. Ihre Gemälde sehen nur so aus, als seien sie aus Rechnersimulationen auf die Leinwand gewandert. Darunter die schrillen, gestisch explodierenden Malspuren des Niederländers Ab van Hanegem, die in sich gekehrten, glänzenden Lacktafeln des Belgiers Jus Juchtmans oder die kalt und abweisend wirkenden Bilder von Martijn Schuppers. Vielleicht liegt diese nur scheinbare Nähe zur Digitalisierung daran, dass das Sehen der Künstler – wie unser eigenes – durch die alltägliche Flut digitaler Bilder immer stärker geprägtwird. Aber in der Praxis nutzen die meisten Maler sie lediglich, um Zwischenzustände ihrer Gemälde zu besserer Bewertung zu fotografieren. Danach arbeiten sie mit ganz realer Farbe weiter. Auch wenn ihre Werke wie die Bildreihe von Giso Westing dabei an Pixel und Monitore erinnern.

Angesichts der offensichtlichen Sinnlichkeit seiner Gemälde mag man diese Reminiszenz allerdings nicht als Hommage, sondern allein als Ironie auffassen. Denn erst im Medium der Malerei gewinnt das Bild unmittelbare Präsenz. Von ihr können die in der Ausstellung als Kontrastprogramm auftretenden Videobilder nur träumen – wie malerisch sie auch immer sein mögen.

„RE:SET – Abstract Painting in a Digital World“, bis zum 25. August im Kunstmuseum Celle, Schlossplatz 7.

Digital produziert oder inspiriert? Paul Schwers Plexiglas-Skulptur vor einem Bild Volker Wevers

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