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Streichquartett trifft auf die »Kunst der Fuge«

Niedersächsische Musiktage präsentiert im Kunstmuseum „Die Nacht im Liegen hören“

Cellesche Zeitung, 26. September 2009 - von Hartmut Jakubowsky

Celle. Ein Konzert im nächtlich abgedunkelten Raum entspannt im Liegestuhl zu genießen mag man zunächst für einen kauzigen Gag halten mit der Absicht, „trendy“ zu sein und mit Neuem zu kokettieren. Was anderswo mit ähnlichem Programm bereits erfolgreich war, weiß mancher jetzt allerdings auch in Celle zu schätzen: „Die Nacht im Liegen hören“ erwies sich im Rahmen der niedersächsischen Musiktage im Kunstmuseum als ein spannendes Hörabenteuer und eine faszinierende musikalische Erfahrung. „Sie werden verschiedene Klänge ganz anders hören und müssen nicht wie im Konzertsaal aufrecht sitzen“, erläuterte zu Beginn Intendant Markus Fein.

Ganz ohne Zweifel, Musik entspannt im Liegestuhle zu hören ist angenehm und hat was ausgesprochen Privates: ohne optische Ablenkung kann man sehr intensiv zuhören, Musik in allen Facetten genießen und neue Wahrnehmungsräume entdecken. Kein Rascheln, kein Beifall und nicht einmal das übliche Husten störten die Konzentration. Das Publikum wurde dazu in zwei Gruppen aufgeteilt: Im Dachgeschoss traf Musik des ungarischen Komponisten György Kurtàg auf die „Kunst der Fuge“ von Johann Sebastian Bach – beides interpretiert vom Kölner Minguet Quartett, eines der gefragtesten Streichquartette der jüngeren Generation. Und während die Zuhörer unter dem Dach den straff gespielten Bach`schen Contrapuncti mit dem abrupten Verklingen des Contrapunctus 18 liegend lauschten und die sich reibenden, dissonanten, die Stille mit einbeziehenden Teile des „Officium breve“ von György Kurtág damit vergleichen konnten, genoss im unteren Museumsbereich der andere Teil der Zuhörer den vielfach preisgekrönten Mädchenchor Hannover mit Abendliedern der Romantik.

Danach wechselten beide Zuhörergruppen die Räumlichkeiten, um den jeweils anderen Programmteil zu hören. Nachtwandeln im Kunstmuseum zu sehr unterschiedlichen Musikdarbietungen. Was der Mädchenchor Hannover unter der Leitung von Gudrun Schöffel solistisch und in homogenen Gesang mit wunderbar ausgebildeten Stimmen, die ihre ungezwungene Natürlichkeit stets bewahren, leistet, ist fabelhaft. An den Wänden ringsum stehen die Mädchen, nehmen mit Leichtigkeit und Selbstbewusstsein den Ton auf und hüllen die Zuhörer in der Mitte in bezaubernden Klang und Wohllaut mit aus der Stille sich entwickelnden Spannungsbögen und beeindruckender Natürlichkeit im Vortrag. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes traumhaft. Gar nicht ausgeschlossen deshalb, dass man Konzerte in Zukunft nur noch im Liegen hören will.