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Peter Basseler

geboren 1947 in Hannover
Kunststudium in Hannover und Braunschweig
1983 Stipendiat des Landes Niedersachsen
1984 Villa Massimo, Rom
1987 Niedersächsisches Künstlerstipendium
1991 – 1997 Aufenthalt in Chicago
lebt und arbeitet in Berlin

Falltüren des Absurden

Peter Basseler baut kleine Welten in Kisten und Kästen. Mit pittoresken Ideal-Landschaften, wie zum Beispiel Modelleisenbahner sie so lieben, sind diese Welten allerdings nur schwer in Einklang zu bringen. Hier ist nichts einfach nur hübsch, sauber oder gar niedlich. Ganz im Gegenteil: Die Szenen in Basselers Schaukästen wirken eher staubig und schaurig. Was Schicksal und Witterung an Widrigkeiten aufzuweisen haben, hier findet es sich in den verschiedensten Fassetten. Bevölkert werden die bühnenartigen Gebilde von mehr oder weniger sinistren, aber immer auch irgendwie liebenswerten Gestalten, die in schummrigen Kellern, feuchten Höhlen, vergilbten Kneipen, vollgeramschten Lagerräumen oder an schmuddeligen Straßenecken mit rätselhaften Aktivitäten und Nicht-Aktivitäten beschäftigt sind. Oft ergänzt Basseler diese Szenen mit einem kurzen, scheinbar nüchternen Kommentar.

Das düstere Innenleben seiner Schaukästen konstruiert der Künstler in zeitaufwendiger, geradezu zärtlicher Feinarbeit und mit einer unglaublichen Treue zum Detail – vom Staubflockenteppich über modrige Wandbeläge bis hin zur schmierigen Brillantine-Frisur ist alles mit höchster Präzision handgefertigt. Der atemberaubende Illusionismus, einschließlich einer perfekt abgestimmten Lichtregie, verlockt dazu, die Szenen als realistische Darstellungen zu betrachten. Beim Schauen und Staunen schrumpft der Betrachter förmlich in die Kästen hinein und wird als Voyeur zum unsichtbaren Zeugen des Geschehens. Kaum gedanklich darin angekommen, wird man aber sogleich wieder herauskatapultiert, sobald sich die buchstäblich wahnwitzigen Verdrehungen, Verzerrungen und Verwerfungen von üblicherweise gültigen Größendimensionen, Naturgesetzen und Wahrscheinlichkeiten offenbaren. Diese bindet Basseler wie Falltüren des Absurden in seine Arrangements ein. Er bildet Unmögliches mit derart faszinierender Überzeugungskraft ab, dass Seh- und Denkgewohnheiten – also: die Wahrnehmung und Bewertung von „Realität“ und „Normalität“ – bewusst und damit fraglich werden.

In der zeitgenössischen Kunst besetzt Peter Basseler mit seinen Schaukästen eine einzigartige Position, die übrigens an keinem anderen Ort so ausführlich dokumentiert ist wie in der Sammlung Robert Simon. Vorbilder und Verwandtschaften für Basselers künstlerisches Arbeiten sind in der Gegenwartskunst schwer zu finden. Was Motive, Inhalte und Intentionen betrifft, scheint man nähere Verwandte eher in der älteren Kunstgeschichte suchen zu müssen, etwa unter den niederländischen und flämischen Feinmalern des 17. Jahrhunderts. In den Genre-Darstellungen eines Breughel, Brouwer, Hals oder Steen sind oft eine ähnlich minutiöse Detailversessenheit, theatralisch anmutende Lichtführung und das geistreiche Kippen von Szenarien ins Absurde oder Metaphorische anzutreffen. Was Basseler als „Gebrauchsanweisung“ für seine gebauten Grusel-Szenarien formuliert, könnte man auch für diese Bilder kaum treffender sagen: „Wir trainieren angesichts von Horror das Gefühl von Unterhaltung und Wohlbefinden ein. Man kann so beruhigt in die Zukunft sehen, gewiß, daß man alles getan hat, um zukünftige Belastungen leichter zu nehmen.“

Ausstellungen im Kunstmuseum: