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Tröstliche Grüntöne

Ben Willikens im Kunstmuseum Celle

Von Michael Stoeber

Hannoversche Allgemeine Zeitung, 02.06.2007

Tröstliche GrüntöneDie Entdeckung der Zentralperspektive stellt eine der ästhetischen Großtaten in der Geschichte der Malerei dar. Endlich war es möglich geworden, auf der zweidimensionalen Fläche Raum darzustellen. So augentäuschend, dass das Auge in der Malerei herumspazierte wie der Betrachter in der Wirklichkeit. In der Malerei der Moderne ist der Illusionismus der Zentralperspektive in Misskredit geraten. Nicht nur, weil die Fotografie die Wirklichkeit wirklichkeitsgetreuer wiederzugeben weiß als die Malerei. Nein, sondern weil die moderne Kunst ihr Ethos in Enthüllung und Aufdeckung, nicht in Täuschung und Simulation findet.
 
Unter diesem Aspekt ist der Maler Ben Willikens ein seltsam unzeitgemäßer. Der 1937 in Leipzig geborene Künstler, der an den Akademien von Braunschweig und München lehrte, malt Räume, die sich so exakt vor unseren Augen ausbreiten, dass sie wie eine Verlängerung des Ausstellungsraumes wirken. Und doch ist etwas anders. Seine Farben hat der Maler reduziert auf Weiß und alle möglichen Abschattierungen von Grau. Wir sehen ausschließlich Architektur. Hin und wieder erblicken wir in den Interieurs eine Kugel, einen Kubus, einen Quader oder einen Zylinder. Platonische Idealformen, aus denen sich nach der Vorstellung des Philosophen die Welt aufbaut und damit auch die Wirklichkeit der Bilder von Ben Willikens. Mit dem Kunstgriff der Grisaille und der Entleerung rettet er für sich und seine Werke die Zentralperspektive in die Gegenwart. Willikens malt Räume voller Symmetrie und Proportion, harmonisch, klar gegliedert, puristisch und schön. Diese Bilder sind Demonstrationen eines Wunschtraums. Sie stellen am Beispiel des geordneten Raums eine Welt vor unsere Augen, wie sie übersichtlicher und beherrschbarer nicht sein könnte.
 
In den siebziger Jahren hat der Künstler, der ein Jahr im Krankenhaus verbringen musste, angefangen, solche Räume zu malen. Am Anfang zeigten sie noch zum Teil Wannen und Betten, wie sie Willikens aus dem Hospital kannte. Schon damals dürften die stark an der eigenen Biografie angelehnten Bilder die Aufgabe gehabt haben, durch das Ordnungsgefüge der Architektur drohenden Sinnverlust zu kompensieren. Das ist dem Künstler mit den Jahren immer besser gelungen. Im Kunstmuseum Celle sind jetzt in einer sehr sehenswerten Schau Werke von Ben Willikens zu sehen, die der Sammler Robert Simon zusammengetragen hat. In neueren Bildern macht das depressive Grau partiell leichten und zarten Pastelltönen Platz. In einem Atelierbild aus dem vergangenen Jahr wagt sich der Blick des Künstlers aus dem schützenden Interieur sogar in die Welt nach draußen.
Und siehe, sie zeigt sich in tröstlichen Grüntönen.
 
Bis zum 15. Juli im Kunstmuseum Celle mit Sammlung Robert Simon.