Timm Ulrichs
„Timm Ulrichs’ Kopfsteinpflaster“:
Eine Straßendecke mit Schädeldecken, 1978/80. „Schädelstätte“ aus Beton-Abgüssen vom Kopf des Künstlers,
je 22,5 x 17,2 x 25 cm, verlegt in ein Sand- oder Mörtelbett. 1988/89 unlimitierte Großproduktion durch Galerie kö 24 Robert Simon, Hannover.
„Der erste sitzende Stuhl (nach langem Stehen sich zur Ruhe setzend)“, 1970.
Weiß lackiertes Holz, 90 x 45 x 45 cm, und 2 Scharniere. Exemplar: 70/250. Foto: Ferdinand Ullrich, Recklinghausen
„Ins eigene Fleisch“, 1972
Eisen und Holz, 59 x 12 x 20,8 cm.
Foto: Carsten Gliese, Köln
„Zungenreden“, 1987
Stuhl-Paar aus dunkelgrau lackiertem Holz mit je 4 Flackerlampen, je Stuhl: 90 (mit Glühbirnen: 97) x 45 x 45 cm. Auflage: 3 Exemplare.
Foto: Andreas M. Kaufmann, Barcelona
„Bild, aus dem Rahmen gefallen“, 1988/94
Braun-goldener hölzener Gemälderahmen mit Hohlkehlprofil, 120 x 180,3 x 3,5 cm.
Foto: Carsten Gliese, Köln
„AUGEN – GENAU “ (Anagramm), 1965 (Text)/ 1990 (Objekt).
Schwarz lackierte Kunststofftafel, 75 x 125 x 1 cm, und daraus herausgeschnitte Buchstaben, 25 cm hoch.
Foto: Thomas Böllinghaus, Hannover
Die 4 Mondphasen, 1963 (Text)/1990 (Objekte)
4 schwarz lackierte Kunststofftafeln, je 100 x 100 x 2 cm, mit herausgeschnittenen Buchstaben, zum Teil mit phosphoreszierender (nachleuchtender) Folie hinterlegt und von Schwarzlicht (UV-Licht) bestrahlt.
Fotos: H. Felix Gross, Karlsruhe
„Ich kann keine Kunst mehr sehen!“, 1975
Demonstration als „Sandwich-Man“ mit Blindenstock und -armbinde beim „Internationalen Kunstmarkt Köln 1975“, Messegelände Köln-Deutz, 10. 11. 1975. Schwarzweißfotografie (Ellen Poerschke, Berlin), mit Eiweißlasurfarbe handkoloriert, auf Fotoleinwand auf Keilrahmen, 125 x 100 cm. Exemplar: 30/50.
Foto: Artikel Editionen, Berlin
Architekturstudium in Hannover, als Künstler Autodidakt
1969-70 Gastprofessur HBK Braunschweig
1972 Professur Kunstakademie Münster
verschiedene Preise und Auszeichnungen, darunter der Niedersächsische Staatspreis 2001
lebt und arbeitet in Hannover, Münster und Berlin
Ausstellungen im Kunstmuseum
- Timm UlrICHs (2012)
- ICH-Kunst, DU-Kunst, WIR-Kunst (2008)
- Timm Ulrichs. Die Krönung - 80 Jahre Totalkunst (2020)
„Totalkunst ist das Leben selbst“
Timm Ulrichs künstlerische Spezialität ist das Wörtlichnehmen von Begriffen, Handlungen und kulturellen Konventionen. Sprachliche Formulierungen, Sinnbilder und Metaphern, aber auch symbolhafte Praktiken aus Kunstwelt und Alltagsleben, verdreht er zurück zu ihrer buchstäblichen Bedeutung und – in bester Dadaistenmanier – meist noch eine Windung weiter ins Absurde. Auch wenn seine Werke beim ersten Blick oft ein Schmunzeln oder Entrüstung provozieren, ist Ulrichs Hauptanliegen nicht der Gag oder die Provokation an sich. Ihm geht es viel mehr um die gründliche Erschütterung unreflektierter Gewohnheiten und Rituale des Sehens, Sprechens und Denkens.
Seit 1959, als er in Hannover seine „Werbezentrale für Totalkunst, Banalismus & Extemporismus“ gründete, arbeitet er mit Witz und Widerspruchsgeist an der konsequenten Umsetzung einer absoluten Verschmelzung von Kunst und Leben. Ansatz- und Kulminationspunkt zugleich ist dabei häufig er selbst: In seinem Ich, seinem Körper, seiner Rolle auf dem Kunstmarkt und in der Kunstgeschichte erhält für ihn das kulturelle Konstrukt „Kunst“ konkrete Gestalt. 1961 entwirft er das Projekt einer Selbstausstellung als „erstes lebendes Kunstwerk“, eines der frühesten Beispiele für Konzeptkunst. Diesen damals Tabu brechenden Gedanken greift er in den Folgejahren immer wieder auf und lotet ihn mit geradezu gnadenloser Konsequenz bis in seine feinsten Fassetten aus.
Ebenso breit wie sein Themenspektrum ist die Palette der künstlerischen Techniken und Medien, die er für die Umsetzung und Vermittlung seiner Ideen einsetzt: Er konzipiert und produziert Arbeiten auf Papier und Haut; Texte, Skulpturen, Objekte, Installationen, Ereignisse und Skandale; Unikate ebenso wie Multiples. Neben vielen anderen künstlerischen Kategorien von der Ich-Kunst bis hin zur Placebo Art entwickelt er in den 60er Jahren die so genannte „Lumineszenz-Kunst“ mit fluoreszierenden Leuchtsubstanzen. Unter anderem eingesetzt als Basis „integraler Totalkunst-Landschaften“ verweist dieses bis dahin in der Kunst unübliche Material auf das zentrale Prinzip von Ulrichs künstlerischem Schaffen: „Kunst ist Leben, Leben ist Kunst“. Kraft seiner in Objekten und Aktionen materialisierten Ideen zielt er auf die Überwindung des zeitlich, örtlich und kulturell begrenzten Raums von Museum und Galerie. Die traditionsgemäß überzeitliche – „ewige“ – Gültigkeit der Kunst interpretiert er um in ein „immer da“. Ulrichs Kunst will nicht nur überall sein, sondern das auch noch rund um die Uhr.