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Die Entdeckung des Unbekannten

„Die Dämmerung. Tim Berresheim & Hartmut Neumann“ im Kubus von Robert Simon

Raumillusion trifft auf Zukunftsvision. Wie Kometen in der Umlaufbahn eines prallen digital generierte Bilder auf klassische Ölmalerei. Die Ausstellung „Die Dämmerung. Tim Berresheim & Hartmut Neumann“ wurde am Sonntag im Kunstmuseum Celle mit Sammlung Robert Simon eröffnet.

Cellesche Zeitung, 22.06.2011 – von Aneka Schult

CELLE. Aus und hinter dem Chaos die Ordnung. Die Arbeiten von Tim Berresheim und Hartmut Neumann unter dem Titel „Die Dämmerung“ im Kunstmuseum Celle mit Sammlung Robert Simon zu sehen (Kuratorin Diana Chwalczyk) wecken beim Betrachter Irritationen. Detailreich und präzise, per Computer-Algorithmus errechnet, stehen die Großformate Berresheims den malerisch üppig die Leinwände erobernden Kosmologien Neumanns gegenüber, die durch entschiedene Setzung des Künstlers einer Ordnung unterliegen. Was die Werke der Künstler verbindet, sind die Eigengesetzlichkeiten ihrer Bildwelten, die, so fasste es Prof. Dr. Ferdinand Ulrich, Museumsdirektor der Museen der Stadt Recklinghausen, in seiner  Eröffnungsrede zusammen, der äußeren Welt völlig autonom entgegenstehen.

Bei beiden geht es um Räume, die künstlerischen Gesetzmäßigkeiten gehorchen, die Referenzen aber nur anklingen lassen und mit ihnen spielen. Wichtig ist nicht die Auffindbarkeit des Bekannten, sondern die Entdeckung des Unbekannten. Hier greift der Begriff der Dämmerung, des Changieren zwischen Hell und Dunkel, Deutlichkeit und Irrlicht. Wenn Berresheim in seinen farbigen Diasecs Interieurs schafft, die zwar surreal aber optisch abtastbar sind, dann dockt er damit nicht nur an Kunstgattungen vergangener Tage an, sondern fragt nach der Glaubwürdigkeit und Tragweite von Licht. Neumann ist dieses Licht mit romantischen, allegorischen, sinnlich ins Bild gemalten Momenten chiffriert. Beide schließen auf klassisch gemalte und analog fotografierte wie digital generierte Methodik Räume auf, die ihrer Eindeutigkeit, klaren Durchdringung beraubt und so dem reich der Dämmerung die Pforten öffnen. Zufällig ist nichts. So wie Tag und Nacht geschieden sind und Dämmerung freigeben, sind auch die Bildräume klar strukturiert und künstlerisch genau durchkomponiert, um Situationen der Undurchsichtigkeit und Unterlegenheit der Augenmacht zu forcieren. Auch partiturhafte Rhythmen mein man in Berresheims Bilder zu finden. Wieder ist es das dazwischen, zwischen Ohr und Tonschöpfer,  das den Zauber bereithält. Die Stimmung. Sie wiederum ähnelt dem Schwebezustand der Dämmerung. Wie „mir dämmert“ meint, hat Dämmerung mi Ahnung zu tun. Sie birgt die Indifferenz und das darin enthaltene Potential zweier Richtungen: ins Dunkel oder ins Hell.

Man könnte Bilder beider als theatralische Situation sehen, als Welttheater, an dessen Anfang ein Urknall steht mit zwei Optionen: der kreativen Schöpfung oder des apokalyptischen Zerfalls. Die Entscheidung liegt in der Dämmerung.

Die Ausstellung wird gezeigt bis zum 16. Oktober im Kunstmuseum Celle, dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr. Sie wird gefördert vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur und begleitet von einem Katalog.