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Ausstellung: Kunstmuseum Celle lädt zum Ausflug in Parallelwelten ein

Hannoversche Allgemeine Zeitung, 26.10.2020

Die Ausstellung „Parallel Worlds. Art, Science & Fiction“ im Kunstmuseum Celle will die Schnittstellen zwischen Kunst und Wissenschaft erkunden. Sie macht neugierig auf Forschung – und unser Verhältnis dazu. 

Spiegeltrick: Burkart Rolands »Here and There« in der Ausstellung im Kunstmuseum Celle. Quelle: Studio Roland Burkart

Spiegeltrick: Burkart Rolands „Here and There“ in der Ausstellung im Kunstmuseum Celle. Quelle: Studio Roland Burkart

Kennen Sie dieses diffuse Gefühl von Weltschmerz, die schlechte Laune, die sich scheinbar grundlos in einem ausbreitet bis man nur noch ins Kissen heulen möchte? Verstärkt wird er auf jeden Fall durch das kleine Helferlein in unseren Taschen. Ständig piepst und funkt das Smartphone schlechte Nachrichten von Krieg, Konjunkturflaute oder Hungersnot – und zwischendurch immer nur Corona. Um diesem Krisenmodus zu entfliehen, hilft eigentlich nur ein Digital Detox, also eine digitale Entgiftung, oder im schlimmsten Fall, alle Endgeräte einfach auszuschalten.

Das Gegenteil davon versucht die bemerkenswerte Ausstellung „Parallel Worlds. Art, Science & Fiction“ im Kunstmuseum Celle. Sie erkundet die Parallelen zwischen Kunst und Wissenschaft und eröffnet dabei einen nie naiven, aber trotzdem positiven Blickwinkel auf das Verhältnis von Mensch und Maschine.

Übergänge zwischen Kunst und Forschung sind fließend
Gezeigt werden Werke, die die Künstler und Künstlerinnen auf der Basis wissenschaftlicher Fragestellungen entwickelten. Die Übergänge sind dabei fließend: Wo Kunst beginnt und die Forschung aufhört, ist manchmal kaum auszumachen. Im Mittelpunkt stehen immer die Besuchenden, die mal mittels ihres Spiegelbildes oder Geruchssinns, mal mithilfe einer Computertastatur das jeweilige Werk reflektieren können.

Dabei werden sie vor allem dazu aufgefordert, sich selbst in diesen Parallelwelten zu verorten. Etwa in einem schier endlos wirkenden Raum, am Boden ein weiß leuchtendes Gitternetz und mittendrin: das eigene Spiegelbild. Eigentlich ist es nur ein Quader voller Spiegel, den der Künstler Roland Burkart unter dem Titel „Here and There“ entworfen hat. Doch steht man direkt davor, wirkt der Raum weit und man selbst ganz klein.

Ein Werk, das seinen Schöpfer überrascht
Bei aller Schönheit verklärt die Ausstellung nicht die Nachteile der Technisierung. In die Tastatur der „Poetry Machine“ lassen sich zwar Stichworte eingeben, doch die Maschine wird auch ohne sie ihr endloses Gedicht weiter schreiben. Sie sucht im Internet nach den häufigsten Assoziationen zu den Worten und formt aus ihnen Sätze. Die sind meistens sinnfrei, können aber auch rassistisch oder sexistisch sein. Der Künstler David Link wollte ein Werk schaffen, das ihn immer wieder überrascht. Doch gleichzeitig hat der Algorithmus, der dem zugrunde liegt, auch Grenzen.

David Links »Poetry Machine« schreibt ein ewiges Gedicht.
David Links „Poetry Machine“ schreibt ein ewiges Gedicht. Quelle: Kunstmuseum Celle


„Parallel Worlds. Art, Science & Fiction“ möchte die Neugier aufs Forschen erwecken – und schafft das auch. Denn auch die Wissenschaft ist kein unumkehrbares Schicksal: Wir alle können die Technik, die uns allerorten umgibt, hinterfragen. Dazu bietet die Ausstellung genügend Raum – wie ein Freund oder eine Freundin, die einen mit einer lustigen Nachricht oder dem Teilen eines interessanten Artikels daran erinnern, dass wir die Gestaltung unserer digitalen Endgeräte selbst in der Hand haben, ohne sie gleich abschalten zu müssen. Quasi ein Digital Detox mithilfe der Kunst.

Noch bis zum 28. Februar im Kunstmuseum Celle, Schlossplatz 7, geöffnet dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr.
Von Alina Stillahn