Seiteninhalt

Licht gestalten

Das umgebaute Celler Kunstmuseum startet mit einer umfangreichen Fotoausstellung. Der Name ist für das Haus Programm: „Die Liebe zum Licht“.

Von Michael Stoeber
Treffender hätte der Titel der ersten Ausstellung, einer Fotoschau mit 220 Werken von 67 Fotokünstlern, nach dem Umbau im Celler Kunstmuseum nicht sein können. Natürlich bewegt die „Liebe zum Licht“ jeden Fotografen, ist das Element seinem Medium doch essenziell eingeschrieben. Aber diese Liebe zum Licht hat, wie es aussieht, auch die Architekten Ahrens und Grabenhorst, den Sammler Robert Simon und die Stadt Celle bei der Umgestaltung des Museums bewegt. Durch die Installation eines leuchtenden Foyerkubus’ und die Umbauten im Inneren jedenfalls hat sich die Licht- und Hängesituation im ganzen Haus entscheidend verändert und verbessert, so dass man dort nun wirklich in eindrucksvoller Weise Kunst zeigen kann.

Raoul Hausmann lässt im Celler Kunstmuseum die Schatten spielen: »Les Photographes« aus dem Jahr 1957. Katalog (2)
Raoul Hausmann lässt im Celler Kunstmuseum die Schatten spielen: „Les Photographes“ aus dem Jahr 1957. Katalog (2)

Das demonstriert recht überzeugend diese von Bettina Maassen und Hartmut Neumann kuratierte Schau, die nach Celle noch in Delmenhorst und Bochum gezeigt wird. Auch wenn der für Wechselausstellungen vorgesehene Raum in der ersten Etage des Hauses die Fülle der Exponate kaum zu fassen vermag, haben sich die Kuratoren für die Situation im Museum eine kluge Lösung ausgedacht. Sie hängen die Werke nicht chronologisch, sondern thematisch. Dabei erlauben sie sich, Fotografien Stoß an Stoß und über und nebeneinander zu hängen, die sonst nicht unbedingt zu derlei Nachbarschaften einladen würden. Vor allem wenn schwächere Werke in den Lichtkreis stärkerer geraten, werden Defizite gnadenlos enthüllt, die man sonst vielleicht nicht gar so schnell bemerkt hätte.
 
Ihre Präsentation verstehen die Kuratoren ein wenig hochtrabend als „Bildessay“ – schließlich ist diese „Petersburger Hängung“ nach Themen so neu ja nun auch wieder nicht. Die Auswahl der Künstler und die Wahl der Themen schaffen es jedenfalls durchgehend, Aufmerksamkeit und Neugier des Betrachters wach zu halten. Und der bei dieser Präsentationsstrategie stets gegebene Appell, die Bilder miteinander zu vergleichen, schafft immer wieder schöne Aha-Erlebnisse.
 
Das ist gleich eingangs der Fall, wenn das Licht als Lichtquelle thematisiert wird und sich im grotesken Arrangement von Chantal Michel bauchige Lampen und der zusammengekrümmte Leib einer Frau zum skulpturalen Ensemble verbinden. Benjamin Katz rückt Gerhard Richter beim Malen seiner berühmten Kerze ins Bild. Wols, Hans Finsler und Stephen Shore sind fasziniert von der filigranen Gestalt von Glühbirnen. Thomas Kapielski fotografiert Lampen als Porträts ihrer abwesenden Benutzer. Seit Brassaï 1932 den von elektrischem Licht düster beschienenen Pariser Pont Neuf in dramatischem Schwarzweiß aufgenommen hat, ist die Elektrifizierung unserer Städte fotografisches Thema. Die hoch zu lobende Japanerin Yuki Onodera, eine Entdeckung dieser Schau, fotografiert von elektrischem Licht erhellte Häuser wie Leuchttürme der Zivilisation in tintenschwarzer Nacht, während der Lüneburger Ralf Peters Tankstellen in artifizieller Farbigkeit als exotische und autistische Raumschiffe darstellt.
 
Licht modelliert Menschen. Puristisch in den Akten von László Moholy-Nagy, verspielt in den Frauenkörpern von Evgen Bavcar, surreal in den Schattenspielen von Raoul Hausmann, ornamental in den Mädchenbildern von Viviane Sassen und mitfühlend in den Porträts von Nan Goldin. Eine ganze Wand ist der Physiognomie des Waldes bei wechselnder Illumination gewidmet. Das geht von romantisch über sakral bis dramatisch. Am Ende macht die Schau den Schritt von der Beleuchtung zur Erleuchtung: in den ironischen Bildsequenzen der Blumes, den Landschafts-Epiphanien von Timm Ulrichs und den grandiosen Werken von Philip-Lorca DiCorcia. Mit ausgeklügelten Lichtarrangements verschafft der amerikanische Künstler dem Durchschnittsmenschen, was wir als Aura verehren.
 
Auf nach Celle!
 

„Die Liebe zum Licht“ ist bis zum 27. September im Kunstmuseum Celle zu sehen. Der Katalog kostet 19 Euro.

 

HAZ, 11.08.2006