Nachtaktive Kunst in Celle
Hannoversche Allgemeine Zeitung, 07.11.2008
Von Johanna Di Blasi
Es gehört schon Mut dazu, ein Museum zeitgenössischer Kunst in die Welt zu stellen, ohne reicher Erbe zu sein oder Großunternehmer. Und das nicht in irgendeiner peripheren Industrieimmobilie, sondern im Zentrum eines so schmucken und traditionsreichen Städtchens wie der Fachwerkhochburg Celle. Das „Kunstmuseum Celle mit Sammlung Robert Simon“ befindet sich in Sichtweite des Celler Schlosses und grenzt an das der Landeskunde gewidmete Bomann-Museum direkt an. Vor zehn Jahren hat Robert Simon, hannoverscher Galerist, Sammler und in Celle ehrenamtlicher Museumsdirektor, seine Idee eines 24-Stunden-Kunstmuseums (ohne zusätzliche Personalkosten) beim Deutschen Marken- und Patentamt unter der Nummer 39654828 patentieren lassen. Heute Abend wird in Celle die Jubiläumsschau „Strahlkraft&Leuchtzauber“ eröffnet.
Weithin sichtbar ist eine überraschend herzliche und von jedweden Untertönen freie Liebeserklärung Timm Ulrichs an das Museum und an Celle. Ein rot-weißes Blinkeherz, eingelassen in den gläsernen Museumsvorbau, morst sein Licht in den novembergrauen Tag und in die vorweihnachtliche Nacht hinaus. „Zwei, zu zweit“ von 1989/2008 ist eine Neonarbeit, bei der eine weiße „2“ auftaucht, dann spiegelverkehrt eine weitere „2“, und dann erstrahlt der herzförmige Innenraum zwischen den Zahlen in warmem Rot.
Weitere Lichtkunstneuerwerbungen stammen unter anderem vom Zero-Künstler Otto Piene (derzeit auch mit neuen Keramiken in Celle zu sehen), von Yvonne Goulbier und Francesco Mariotti. Die hannoversche Künstlerin Anne Nissen (derzeit auch mit Lichtkunst am Döhrener Turm in Hannover vertreten) bespielt das geräumige Dachgeschoss des Museums mit einer komplexen Videoinstallation („Second Sight“) zum Thema Spiegelung, Vision und Traumbild. Man steht mitten in dem pulsierenden Lichtwerk wie in einer magischen Höhle. Gefilmte Wasserflächen, Froschlaich und 100 gespiegelte Gesichter sind die Ingredienzien dieser schönen, symbolisch allerdings etwas überfrachteten Lichtarbeit.
Simon hat früh auf Lichtkunst gesetzt, noch bevor in Unna (Nordrhein-Westfalen) ein ausschließlich den künstlerischen Experimenten mit Glühbirnen, Leuchtstoffröhren, LEDs und Projektionen gewidmetes Museum gegründet wurde. Der Marketingexperte, der eine einträgliche Stelle in der Wirtschaft gegen freischaffendes Kunstmanagement eintauschte, hat sich in Celle mit seiner beharrlichen, freundlichen Art gegen alle Bedenkenträger den Weg freigekämpft. Mit Partnern aus Politik und Wirtschaft und gewieften Konstruktionen, etwa zur Einwerbung von EU-Fördermitteln, hat er das Sammlermuseum realisiert, das heute nicht mehr wegzudenken ist.
Die Jubiläumsschau im Kunstmuseum Celle, Schlossplatz, läuft bis 1. März, Eröffnung ist heute um 19 Uhr. Ein Bestandskatalog erscheint demnächst.
07.11.2008 / HAZ Seite 7