Bulgarien feiert Hannovers Totalkünstler
Timm Ulrichs im Osten: Bulgarien feiert Hannovers Totalkünstler mit einer großen Ausstellung. Und es soll noch weiter nach Athen gehen.
NEUE PRESSE, 11.03.2009
Eröffnung in Sofia (v.li.): Robert Simon, Botschafter Michael Geier, Dolmetscherin Maja Stefanova, Goethe-Institutsleiter Rudolf Bartsch, Maria Vasileva von der Stadtgalerie Sofia und der stellvertretende Kulturminister Yavor Milushew.
VON HENNING QUEREN
Ein junger Mann mit Stock und Blindenbrille macht Werbung für die Kunst und kann doch keine Kunst mehr sehen diese doppeldeutige Figur wurde tausendfach auf Plakatsäulen in Bulgariens Hauptstadt geklebt, macht Werbung für die aktuelle Ausstellung von Timm Ulrichs.
Der zeigt zur Zeit in Sofia eine seiner größten Ausstellungen mit mehr als 70 Werken ausgeliehen von der hannoverschen Sammlung Robert Simon und dem 24-Stunden-Museum in Celle, ergänzt durch einige frische Arbeiten aus dem Künstleratelier.
Ausgerechnet Bulgarien und dann diese vergleichsweise sperrige Kunst, wie kommt das denn? Über das Goethe-Institut. Der dortige Chef ist ein großer Fan von Timm Ulrichs, war vorher in Indien und dann im Zug der Jobrotation in Sofia gelandet: Wenn man in Bulgarien zeitgenössische Kunst zeigen will, muss es eben Timm Ulrichs sein.
Und da liegt dann Celle ganz nah, denn Robert Simon besitzt die größte Sammlung mit Werken von Timm Ulrichs. Aus Niedersachsen auf den Balkan keine Angst um die Werke? „Zu keinem Zeitpunkt“, so Robert Simon „„kö 24“), „mit einer professionellen Kunsttransportfirma lief die Aktion ohne Probleme.“
Nun lebt die Kunst von Timm Ulrichs von Ironie, von einem virtuosen Spiel mit Worten, Gedanken, Haltungen. Wie ging das in Bulgarien? „Erstaunlich gut“, so Ulrichs, „viele Übersetzungen funktionierten einfach, es muss im Bulgarischen einen ähnlichen Spruch geben, dass man keine Kunst mehr sehen kann.“ Viele Bulgaren sprechen deutsch, das erleichtert den Zugang.
Bei komplexeren Arbeiten wie „A ungleich a Widerlegung des Identitätsprinzips“ von 1970 beispielsweise musste eine Extra-Erklärung gereicht werden. Der Katalog war zweisprachig produziert worden. Und dadurch war dann alles klar. Wie das „Kopfsteinpflaster“ aus in Beton gegossenen Timm-Ulrichs-Köpfen. Oder der legendäre „erste sitzende Stuhl (nach langem Stehen sich zur Ruhe setzend)“. Heftig bestaunt wurde der „Goldene Schnitt (Anwendungsbeispiel)“ das mit einem vergoldeten Brotmesser zerteilte Kastenbrot unter Plexiglas, das in aller Banalität auf eins der größten Herausforderungen der Kunstgeschichte anspielt.
Ausstellungsort ist immerhin die „Sofia Art Gallery“, die städtische Galerie. Das Medieninteresse war riesig, als der deutsche Botschafter die Ausstellung eröffnet hatte, Kritiken in allen Zeitungen, eine Sendung im ersten staatlichen Fernsehen Bulgariens. Dazu viele Diskussionen mit Künstlern. „Die Neugier ist immer noch ziemlich groß“, so Robert Simon. Und keine Hemmschwelle: Die vom Goethe-Institut finanzierte Ausstellung hatte freien Eintritt.
Ende des Monats kommen die Arbeiten erst einmal wieder zurück nach Celle. Robert Simon denkt schon an eine weitere Ausstellungsstation im Osten: „Athen wäre ein interessanter Ort.“