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Klassiker der modernen Skulptur

Mit Friedrich Gräsel und Hartmut Stielow hat sich Robert Simon, künstlerischer Leiter des Kunstmuseums, zwei Klassiker der modernen Skulptur ins Haus geholt. Werke aus Stahl und Stein stehen ab morgen im Mittelpunkt der Doppelausstellung. Die Schau wird um 11.30 Uhr eröffnet.

CELLE. Mit den Materialien setzten die Künstler entgegen dem aktuellen Trend in der Bildhauerei auf Dauer und Unvergänglichkeit. So ähnlich ihr Ansatz ist, so unterschiedlich kommen die Arbeiten Gräsels und Stielows daher. Gräsels Markenzeichen: die Röhre. Der 81-Jährige studierte Künstler aus Bochum, Biennale-Teilnehmer 1972, Villa-Massimo-Preisträger und zuletzt Professor für Bildhauerei in Essen, setzt seine Arbeiten aus vorgefertigten, meist nicht für die Kunst benötigten Halbzeug-Formen zusammen. „Anstelle eines Klappstuhls oder eines Gartengrills entsteht bei mir aus den Formen eine Skulptur”, bringt es der Künstler vereinfacht auf den Punkt. Ursprünglich aus der Keramik kommend faszinieren ihn diese Vorproduktionen als Ideengeber für eine eigene Formensprache.

Besonders fesselnd wirken seine „Get ups”, zu sehen im Obergeschoss des Hauses. Der Signalcharakter der tiefroten verschlängelten Röhren wird durch Otto Pienes leuchtend oranges „Feuerwerk” im Hintergrund verstärkt.

Für Gräsel stellen die Arbeiten eine Aufarbeitung des Themas Herz dar. Nachdem er Herz-Operationen gesehen hat, zeigt er in einem Dreierschritt, wie sich das wieder in den Körper eingesetzte, durch Elektroschocks gereizte Herz duckt, aufbäumt und wieder zusammenzieht. „Nicht der reale Vorgang, sondern das Wesentliche des Prozesses soll sicht-
bar werden”, erläutert Gräsel. „Sonst wäre das Ergebnis Kitsch, dann könnte ich es in Keramik anfertigen und ,schöne Grüße‘ draufschreiben.”

Stielow geht von der Form aus. Immer wieder sucht der 51-jährige Künstler, der bei Bernhard Heiliger in Berlin Kunst studierte und in Gehrden bei Hannover lebt und arbeitet, eine Verbindung von Granitblöcken und Stahl. Wie Schlüssel und Schlüsselloch bilden die zwei Einzelelemente eine Einheit. Der Stahl als Hohlkörper fungiert dabei als „Spielführer”, der den Raum erobert und sein freies Kräftespiel entfaltet – dem sich der Stein widersetzen muss. Stielow baut Spannungen auf: leicht gegen schwer, scharfer Schnitt gegen raue Oberfläche, heller Granit gegen Licht schluckender Stahl. Trotz der starken Kontraste wirken die Werke nicht hart und endgültig in ihrer Aussage.
Vielleicht liegt es daran, dass der Künstler auf Präzisionswerkzeug verzichtet und bewusst auf Handarbeit setzt. Absolute Genauigkeit würde seine Objekte „entseelen”, meint Stielow.

Die eigentliche Faszination jedoch liegt im Balanceakt der Elemente. Ohne das Gewicht des Steines würde der Stahl umkippen, ohne den Stahl könnte der Stein nicht im Raum „schweben”. Ein Dialog, den man nicht verpassen sollte.

Öffnungszeiten: Die Ausstellung ist noch bis zum 7. September im Kunstmuseum Celle, Schlossplatz 7, zu sehen. Sie ist dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

Cellesche Zeitung, 28.06.2008
 
Von Silja Weißer