Seiteninhalt

Heiligsprechung der Fläche

Menschenleer und grau:

Ben Willikens zeigt seine Illusionsräume am Schlossplatz

In seinen Werken finden sich keine Menschen und keine Landschaften: Ben Willikens hat sich auf großformatige Illusionsräume spezialisiert. Die kommen Grau in Grau daher. Grade mal ein wenig Farbe bringt der Künstler in Spiel. Zu sehen sind die Werke im Kunstmuseum Celle

Von Silija Weißer

Kurz nach Erweiterung des Kunstmuseums ist das Haus am Schlossplatz wieder um ein paar Räume reicher. Um Illusionsräume von Ben Willikens. Großformatig füllen sie die Wände im Erdgeschoss und zeigen: nichts. Keine Menschen, keine Landschaften. Schlicht Räume. Vorwiegend in Grau, Weiß, dazu aus komplementären Farben gemischte dunkle Töne. Seit Ende der 60er beschäftigt sich Willikens mit Innenräumen dieser Art. Farbe führte er vor drei Jahren in seine Gemälde ein. Zu sehen in den „Fensterbildern“.

Ein Großteil der Schau zeigt jedoch den klassischen Willikens. Fenster, Türöffnungen und Säulen unterteilen die Bilder in Ebenen, geometrische Formen übernehmen den Part des Inventars. Alterslos füllen sie magische Spielorte als „nutzlose Nutzobjekte“, wie der Künstler es ausdrückt. Handlung und Sinn der Bilder bleiben dem Betrachter überlassen.

Beeindruckend genau ordnet Willikens Linien und Flächen in tiefenräumlicher Perspektive an. Doch: Wirkliche Tiefe gibt es nicht. Der Raum bleibt seicht, führt vor, dass er auf flachem Malgrund konstruiert ist. Fast penetrant genau malt und sprüht Willikens mit Acryl feinen Schattierungen auf die Leinwand, bis die Architektur unmenschlich exakte Formen annimmt. Willikens: „Privat bin ich ein Chaot. In der Kunst kann ich absolut sein.“

Ja, er habe de Chirico zitiert, ja, er sei ein Fan des Konstruktivismus, des Bauhauses und des Surrealismus. Doch die Raumbilder des in München und Stuttgart lebenden Künstlers (Jahrgang 1939), der neben einem Malerei-Studium und dem Villa-Massimo-Preis eine Professur an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig vorzuweisen hat, haben ihre eigene Ästhetik. Die „Heiligsprechung“ der Fläche, der konsequent perspektivisch durchkonstruierte Raum und die zum Rätseln animierenden Bildsymbole schaffen eine unwahrscheinliche Anziehungskraft. Trotz der ausladend kalten Farbgebung und der technischen Perfektion verlässt der Ausstellungsbesucher den Standort des Betrachters und wird zum Kunst-Reisenden in eine imaginäre Welt. Eröffnungsredner Lothar Späth, ehemals Ministerpräsident in Baden-Württemberg, Kunstsammler und seit 30 Jahren mit Willikens befreundet, bringt es auf den Punkt: „Die Bilder kann man stundenlang angucken. Das Gefühl für Zeit geht verloren.“

Cellesche Zeitung, 03.05.2007