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Spurensuche nach Eugenspiegeleien: Ein anarchischer Geist

Große gemeinsame Sommerausstellung „Till Forever“ in Celler Museen 
 
Cellesche Zeitung vom 16.06.2007 
 
 „Das Anarchische seines Lebens war die Leugnung der Ernsthaftigkeit des Lebens“, so der Kabarettist Dietmar Wischmeyer in seinem Eröffnungsvortrag zur Sommerausstellung des Bomann Museums und des Kunstmuseums Celle mit Sammlung Robert Simon „Till Forever – Rezeptionen des Eulenspiegels in unserer Zeit“.

CELLE. Wohl kaum jemand kennt ihn nicht, den Schalk und Helden des langlebigsten aller deutschen Volksbücher, Till Eulenspiegel oder Ulenspiegel. Die älteste erhaltene Fassung stammt aus dem Jahr 1510. Allgemein aber sind die deutlich harmloseren Geschichten des Scherzboldes aus den abgewandelten Kinderbüchern bekannt. Was dagegen den Till der Urfassung des Braunschweiger Zollschreibers Hermann Bote ausmacht umschrieb Wischmeyer nach dem Auftritt von Sven dem Spielmann in seiner ausdrucksstarken Ausführung „Wisch mir’n Hintern“–, denn das bedeute der Name des Querdenkers und zotigen Exoten: „Ul’n spegel“.

Der Kabarettist vertiefte die These von der „Geburt des Witzes aus dem Geist des fäkalen Scherzes“, nannte die derben Wahrhaftigkeiten von Fäkalsprache, kindlich analer Phase und dem Schiss aufs System. Hier knüpfte sein Vortrag auch an das Kooperationsprojekt mit dem Ausstellungsbüro Göttingen an, bei dem sich gut ein halbes Dutzend Künstler der Herausforderung stellte, den Till in die Gegenwart zu transportieren.

Pure „Illustrationen“ zum Till sind hier eher selten. Vielmehr geht es um den Geist des Rebellen. Auf unterschiedlichste Weise haben sich die Künstler auf Spurensuche nach aktuellen Eulenspiegeleien und unkonventionellem Denken begeben. In zahlreichen Cartoons und satirischen Zeichnungen von Robert Gernhardt bis F.K. Waechter, in anspielungsreichen Gemälden, Objektkunst, Skulpturen, Fotografien und Installationen stellt Till den Realitäten ein Bein. Da trifft Tierisches (Janosch) auf gesellschaftspolitische Schellen wie bei Rainer Hachfeld oder Rainer Ehrt.

Erwin Schwentner sieht Till an den Schaltstellen der medialen Macht. Facettenreich ist auch die Exponat-Sammlung von Roland Albrecht, der in einem „Museum der unerhörten Dinge“ der Kunst- und Kulturszene einen Eulen-Spiegel vorhält. Der „Pyromantiker“ Kain Karawahn setzte bereits vor der Eröffnung mit einer Feueraktion (künstlerische) Duftmarken wie einst Till bei seinen Wanderschaften auch durch des Celler Herzogs Lande.
Zu sehen bis 21. Oktober, dienstags bis sonntags, 10 bis 17 Uhr, im Bomann-Museum, Schlossplatz 7 in Celle.