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Der Letzte macht das Licht an

Der Letzte macht das Licht an

Celle. Das Kunstmuseum Celle ist ein leuchtendes Beispiel für die Vermittlung zeitgenössischer Kunst. Zu diesem Zweck wurde es als "erstes 24-Stunden-Kunstmuseum der Welt" vom hannoverschen Sammler und Galeristen Robert Simon, 67, konzipiert, realisiert und vor 15 Jahren unter der Nummer 39854828 beim Deutschen Marken- und Patentamt in München registriert. Seit der Gründung des Museums mit dem Schwerpunkt Lichtkunst leitet Simon sein Lebenswerk ehrenamtlich und unverdrossen kunstbegeistert.

Aktuell zeigt das Drei-Etagen-Haus mit dem charakteristischen Leuchtwürfel-Foyer gegenüber vom Celler Schloss in der Ausstellung "RE:SET" abstrakte Malerei des digitalen Zeitalters. Anhand zeitgenössischer Arbeiten beweist die Sammelausstellung, dass Farbe, Form und Struktur im Kopf des Betrachters nicht mehr ohne digitalen Verständnishintergrund gesehen werden können. Insofern liest und definiert die Schau auch ihre Besucher als digitale Wesen und erklärt sie zugleich zum Bildschirm gegenüber. Die traditionelle Face-to-Face- und Facebook-Kommunikation setzt sich hier abwechselnd in Matt oder Hochglanz fort.

Verspielt und experimentierfreudig entwickeln die Künstler ihre Werke, ob sie nun konkret digitale Arbeitsschritte enthalten oder nicht. So ist das "roundabout" von Volker Wevers, ein sechs Meter langes Ölgemälde, das im Eingangswürfel Lust auf mehr macht, eine in Öl erstarrte Digitalfotografie. Der Holländer Martijn Schuppers hingegen erstellt in einer Mehrschicht-Technik farbige Oberflächenstrukturen per Hand, die an von Computern erzeugte Hintergründe erinnern, ohne dass je ein Bit oder Bite im Spiel war. Dezente Ironie reicht also aus, so könnte eine Botschaft lauten, um einen eigenen Standpunkt zu behaupten.

Wer die Ausstellung "RE:SET" besucht, kann gleichfalls tagsüber zu den Öffnungszeiten von 10 bis 17 Uhr einen Blick auf die jeweils gezeigten Exponate der Sammlung Robert Simon werfen. Simon arbeitete bis 1985 im Management eines Versicherungskonzerns und beschloss im Alter von 39 Jahren, sich künftig hauptberuflich der Kunst zu widmen. Er gründete eine Galerie in Hannover und verwirklichte immer wieder Projekte als Kunst im öffentlichen Raum, initiierte und realisierte unter anderem für die Expo 2000 die 1200 Meter lange "Skulpturenmeile" mit acht Großskulpturen wie der "Symphonie in Red" von John Henry.

Bereits 1995 gründete Simon in Celle das Kunstmuseum, fortan Heimat seiner Sammlung zeitgenössischer Kunst. Darunter sind in der Dauerausstellung Öl/Acryl-Bilder von Dieter Krieg (1937–2005) und Ralph Fleck, 62, zu sehen. Beide Künstler haben ihre Farben so dick aufgetragen, dass die Grenze zwischen Gemälde und Relief zerfließt. Weitere Maler der Simon-Sammlung sind unter anderen Roland Dörfler, Paul Uwe Dreyer, Hartmut Neumann und Ben Willikens, der mit seinen in zarten Grautönen gehaltenen und schattierten, architektonisch klaren, freien Flächen geradezu den Gegenpol zu Krieg (be)bilde(r)t.

Unter den Objektkünstlern des Hauses ragt Peter Basseler mit seinen Setzkästen heraus, die in skurrilen Szenen die Essenz privater und öffentlicher Räume und Grenzzonen zwischen den Sphären erforschen. Der Betrachter gewinnt Einblicke, die er bis zur Begegnung mit einem dieser 45 Kästen aus dem Lebenswerk nicht für möglich gehalten hätte. Fast die Hälfte aller Basseler-Schöpfungen steht in der Sammlung Simon.

Der ZERO-Künstler Otto Piene, 85, hat im Museum einen Lichtraum eingerichtet. Da sitzt der Besucher urknallplötzlich ohne Raumanzug mitten im Universum. Mithilfe weniger weißer Lichtquellen und einiger Lochschablonen lässt Piene bewegte Sternbilder ineinander fließen. Sterne werden geboren, expandieren, kollabieren, und wer hier gesessen hat, glaubt sofort, dass das All sich ausbreitet, wohin auch immer.

Als "Alleinstellungsmerkmal" bezeichnet der stolze Sammler Simon die im Kunstmuseum gebündelten Lichtkunstarbeiten international bekannter Künstler. Sie rechtfertigen sowohl den Titel des 24-Stunden-Museums (ohne zusätzliche Personalkosten) als auch einen nächtlichen Bummel in Celle, ums Museum herum. Denn bei Nacht gewährt nicht nur der Frontkubus erhellende Einblicke. Das Museum strahlt von allen Seiten. Ein Rundweg führt an einem Schwarz-Weiß-Lichtfries von Piene und einem farbigen, 8300 Leuchtdioden umfassenden, über Bewegungsmelder interaktiven Fries von Francesco Mariotti entlang. Und auch in den Treppenhäusern haben mehrere Künstler das Licht angelassen.

Kunstmuseum Celle Schlossplatz 7, 29221 Celle, Ausstellung "RE:SET" bis 9. September, Di–So 10.00–18.00, Eintritt: 5,- (Kinder bis 14 J. frei), freitags freier Eintritt