Seiteninhalt

Der Kunst-Stratege

zu hause in hannover

Ohne Robert Simon würde Hannover anders aussehen: Der Galerist hat die Straßenkunst in seiner Wahlheimat mitgeprägt – und arbeitet bereits an neuen Ideen.

Von Juliane Kaune

Robert Simon liebt Spiegelei. Nicht auf dem Teller, sondern an der Wand. Das erst auf den zweiten Blick erkennbare Riesenei aus weiß-gelben Acrylfarben hat der Künstler Dieter Krieg gemalt. Es hängt in Simons Wohnzimmer über der weißen Ledercouch, und es gehört zu seinen Lieblingsstücken. Bilder, Skulpturen, Objekte. Überall im Haus des Galeristen ist Kunst. Doch eigentlich passe diese Bezeichnung gar nicht so richtig zu ihm, meint Simon. „Ein Galerist“, sagt er, „zeigt Kunst hinter verschlossenen Türen. Ich will sie auf die Straße bringen.“ Das hat er unübersehbar getan: Simon ist der „Vater“ der auch in Fachkreisen viel beachteten Skulpturenmeile, deren acht Kunstwerke der Autoschneise zwischen Friederiken- und Königsworther Platz ein markantes Gesicht geben.
 
Am 18. Juli vor 25 Jahren gründete er seine Galerie „kö 24“ in der Königsworther Straße. Am 16. Juli wird er 60 Jahre alt. Dass er so kurz hintereinander ein Doppeljubiläum feiert, ist kein Zufall: „Ich habe mir die Galerie zum Geburtstag geschenkt.“ Damals arbeitete Simon noch in einem ganz anderen Job. Er war Marketingleiter bei der Magdeburger Versicherung in Hannover. 1972 hatte der Betriebswirt dort als Pressesprecher angefangen und sich nach oben vorgearbeitet. Doch 1985 machte er den Schnitt: Er gab den sicheren Posten auf und widmete sich mit seiner Frau Heide fortan hauptberuflich der Galerie.
 
Wenn Simon das erzählt, huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Dieser Lebenslauf klingt abenteuerlich, das weiß er. Doch der korrekt gekleidete gebürtige Hesse mit der runden Brille und dem Faible für Krawatten („Ich habe mehr als 200 Stück“) ist kein Abenteurertyp. Eher ein Stratege. „Die Entscheidung für die Galerie war ein Sprung ins kalte Wasser“, meint er. Aber auch ein wohl kalkulierter Schritt. Die Leidenschaft für Kunst seit Studententagen und das Wissen, wie sich Dinge geschickt vermarkten lassen, wollte er verbinden.
Dabei ging es schnell um mehr als um den Handel mit Bildern. Simons Schwerpunkt ist die Beratung von Firmen beim Umgang mit dem Imagefaktor Kunst: „Ich verkaufe Konzepte.“ Der Galerist ist zudem Gründer und ehrenamtlicher künstlerischer Leiter des jüngst eröffneten, bundesweit beachteteten „24-Stunden-Museums“ in Celle, das tagsüber zeitgenössische Kunst aus Simons Sammlung zeigt und nachts zum Lichtkunstwerk wird. Das Konzept hat er sich patentieren lassen.
 
Geht es um die Straßenkunst in seiner Wahlheimat Hannover, tritt er als „Überzeugungstäter“ in Erscheinung. 14 Jahre hat es gedauert, bis seine Skulpturenmeile komplett war. Als Mittler zwischen Stadt, Sponsoren und Künstlern ließ er so lange nicht locker, bis das Freilichtmuseum im Expo-Jahr mit dem Riesen-Mikado von John Henry abgeschlossen werden konnte. Um die Plastik an den Königsworther Platz zu holen, schaltete er sogar den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten ein: Auf Vermittlung von Gerhard Schröder stellte die Salzgitter AG den Stahl, die Meyerwerft den Rohling und die Lotto-Stiftung das Kapital.
 
„Kontakte schaden nur dem, der keine hat“, meint Simon. Er erzählt gern von seinen Projekten. Doch bevor die Realisierung gesichert ist, verliert er kaum ein Wort darüber. Eine Strategie, der die Hannoveraner etwa die „Lichtkunstbänke“ des Schweizers Franceso Mariotti am Georgsplatz verdanken. Oder das spektakuläre Projekt auf dem Opernplatz im Jahr 2001, bei dem der Künstler Otto Piene mit Unterstützung des Technischen Hilfswerks einen riesigen Plastikstern schweben ließ.
 
Kunstkenner Simon mischt sich mitunter leidenschaftlich in die aktuelle Diskussion um Standortkonzepte für die Straßenkunst ein. Die Stadt müsse den Mut haben, Kunstwerke auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls auch abzubauen, sagt der Experte, der die Göttinger Sieben vor dem Landtag als „kunstgeschichtlichen Rückfall ins Mittelalter“ bezeichnet hat.
 
Er mag das Moderne. Das gilt für die Kunst wie für das Mobiliar in seinem Altbau in der Calenberger Neustadt. Dort finden sich nicht nur Werke an den Wänden. Im Garten liegen Prototypen des „Kopfsteinpflasters“, des Ensembles aus 838 Betonschädeln, die Timm Ulrich mit Simons Unterstützung am Sparkassenforum am Schiffgraben realisiert hat.
 
Der Kopf als Sinnbild für Ideen. Das passt zu dem kreativen Konzeptemacher, der seinen runden Geburtstag „im kleinen Kreis“ mit 120 geladenen Gästen feiert. Und er lässt keinen Zweifel daran, dass in Hannovers Stadtbild auch künftig seine Handschrift zu sehen sein wird. Straßenlaternen, sagt Simon, hätten ein großes künstlerische Potenzial. Mehr sagt er (noch) nicht.

 Hannoversche Allgemeine Zeitung / Hannover vom 15.7.2006