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Noch mehr Licht - Entspannen im Museum

Hannoversche Allgemeine Zeitung, 30.06.2014

Celle. Wenn andere Museen ihr Licht gewöhnlich ausschalten, geht es im Kunstmuseum Celle überhaupt erst richtig an. Deshalb wirbt das auf Lichtkunst spezialisierte Haus auch damit, „das erste 24-Stunden-Kunstmuseum der Welt“ zu sein. Das griffige Etikett stammt vom hannoverschen Sammler Robert Simon, dessen Leidenschaft dem Licht in der Kunst gilt. Er hat dem Celler Museum nicht nur seine Kunstsammlung überlassen, sondern dort inzwischen auch eine der größten Lichtkunst-Sammlungen Deutschlands aufgebaut. 2014 hat seine Kunststiftung zudem den deutschen Lichtkunstpreis ins Leben gerufen, mit dem als erster der Zero-Künstler Otto Piene ausgezeichnet wurde.

Noch mehr Licht - Entspannen im Museum

Simons Ansehen auf dem Gebiet der Lichtkunst hat es ihm ermöglicht, im Kunstmuseum Celle eine Übersichtsausstellung zur „Lichtkunst in Deutschland im 21. Jahrhundert“ auszurichten, die ihresgleichen sucht. Sie versammelt fast alle Künstler, die bei der Lichtkunst Rang und Namen haben. Da die Wunschliste von Robert Simon als künstlerischem Leiter und seiner Kuratorin Julia Otto die Dimensionen nur einer Ausstellung sprengte, haben sie zwei daraus gemacht. Der erste Teil war bereits im vergangenen Jahr zu sehen.

Nun folgt der zweite Teil der Schau, der mit 36 Werken noch größer ist als der erste. Einige von ihnen befinden sich außerhalb des Museums. So sieht man, unweit vom Kunstmuseum, in dem sich zur Straße öffnenden Innenhof des Celler Oberlandesgerichts die zauberhafte Lichtinstallation „Brother“ (2014) von Paul Schwer. An einem offenen Quader aus Stahlstangen hängen monochrome Farbtafeln im Billboard-Format, die von weißen und blauen Leuchtstoffröhren erhellt werden. Sie werben, ungewöhnlich genug, für nichts anderes als dafür, sich bei ihrem Anblick der Kraft der Farbe und des Gefühls zu überlassen.

Schwers Lichtskulptur macht wie auch das „Mückenhaus“ (2012) von Michael Sailstorfer neugierig auf die Schau im Inneren des Museums. Sailstorfer, den Besuchern der hannoverschen Kestnergesellschaft in guter Erinnerung, hat ein filigranes Haus um eine Straßenlaterne gespannt. In ihm finden nicht nur Mücken und Moskitos zu nächtlicher Stunde eine Heimstatt, sondern seine Position stellt zugleich die gewohnten Verhältnisse von oben und unten auf den Kopf.

Aus dem Inneren des Kunstmuseums strahlt ein Stern aus zwölf weißen Leuchtstoffröhren. Er ist von Shan Blume aus Berlin, der hier mit Licht das Prinzip der Sonnenuhr übernimmt und zugleich gegen sie wendet. Um Mitternacht erblühen alle Zeiger der Uhr in blendender Helligkeit, um 12 Uhr mittags dagegen schaltet sich ihr Licht aus. Im Eingangsbereich hat der an Kosmologie interessierte Björn Dahlem „Phobos“, den größeren der beiden Marssatelliten, landen lassen. Seine glitzernde, kristalline, lichtsatte Struktur liegt mit einer Ecke auf einer antiquierten Schrankuhr aus den fünfziger Jahren auf, als mit Sputnik 1 die Raumfahrt begann. Vielleicht sollen damit die heroischen Vorstöße des Menschen in die Unendlichkeit des Alls ironisiert werden.

Im Inneren des Museums mehren sich die Werke, die sowohl von sinnverwirrender Schönheit als auch harte Nüsse für das Auslegungsvermögen des Betrachters sind. Ein Paradebeispiel dafür ist die Raum füllende Installation „Lichtjahre“ (2011) des japanischen, in Deutschland lebenden Künstlers Kazuo Katase. Seine mit Umkehrungen operierenden Fotografien und Leuchtkästen entfalten ein eindrucksvolles und bewegendes Lichtpanorama, in dem sich seine eigene Schaffensgeschichte ebenso spiegelt wie die der Menschheit. Sein und Schein, Wahrheit und Täuschung waren schon immer ein großes Thema der Kunst und kommen auch in Celle nicht zu kurz. Sie prägen die rotierenden Lichtwerke von Max Frey, die eindrucksvoll die Trägheit unserer Augen demonstrieren, wenn ihre LED-Lichtpunkte in der Bewegung unterschiedliche Linien und Formen bilden.

Nicht weniger verblüffend sind die Licht- und Farbeffekte, die Dieter Jungs „Holographien“ (2011) und „Lichtwandler“ (2014) hervorbringen oder die Spektralfarben, die Detlef Schweiger mit weißem Licht erzielt, das er auf die gebrauchten CDs richtet, die auf dem Boden herumliegen. Regenbögen entfalten sich über CDs, die auf dem Boden liegen. Es ist ein schöner Schein.

„Scheinwerfer, Lichtkunst in Deutschland im 21. Jahrhundert“, Teil 2. Bis 5. Oktober. Kunstmuseum Celle, Schlossplatz 7.

Stroeber