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Schweflige Köpfe, tanzende Häuser

Das Kunstmuseum Celle zeigt Porträts von Rolf Bier und Skulpturen von Werner Pokorny
 
Hannoversche Allgemeine Zeitung, 02.04.2009 - VON MICHAEL STOEBER

Rolf Bier (*1960) Im Kunstmuseum Celle stellen gegenwärtig zwei Künstler aus, die als Kollegen an der Akademie in Stuttgart lehren. Auch thematisch gibt es Parallelen zwischen den Skulpturen des 1949 in Mosbach geborenen Bildhauers Werner Pokorny und den Bildern des 1960 in Würzburg geborenen und in Hannover wie Stuttgart lebenden Künstlers Rolf Bier. Allerdings nicht auf den ersten Blick. Beider Werke in Celle drehen sich um das Porträt. Biers im Kunstmuseum zu besichtigende Malerei ist für alle, die mit seinem künstlerischen Werk vertraut sind, eine Überraschung. So sinnlich und vital wie in dieser Porträtserie hat man den konzeptuell arbeitenden Künstler, der 2006 mit dem Preis der Sparkasse Hannover ausgezeichnet wurde, noch nicht erlebt. Seine Bilder sind ein work in progress, eine Werkserie, mit der er angefangen hat, als er sich in den Jahren 2004/05, ausgerüstet mit einem Stipendium des Landes Niedersachsen, in New York aufhielt. Was das Kunstmuseum zeigt, ist eine Zwischenbilanz, weil Rolf Bier bis heute an diesen Bildern beständig weitermalt.
 
So einheitlich das Format der Werke ist, 50 x 40 cm, so unterschiedlich sind die Köpfe, die der Maler in expressiver Gegenständlichkeit porträtiert. Sie zeigen junge und alte Menschen, Männer und Frauen, von unterschiedlicher Herkunft. Wir sehen Gesichter in Auflösung, die unserem Blick ängstlich ausweichen, und andere, die ihm lächelnd standhalten. Sympathische und unsympathische Gesichter, versehrte und sieghafte, strahlende und düstere – ganz wie im wirklichen Leben. Bier nennt diese Bilder „Portraits of Unseen People“. Für ihn sind es „Abbilder ohne Vorbilder“, weil er, um sie in schnell fließendem Acryl auf der Leinwand zu fixieren, keine bestimmten Modelle in den Blick genommen hat. Und doch liegt auf ihnen ein Abglanz der Metropole, der sich zuvor im Gedächtnis des Künstlers abgelagert hat. Wichtiger als ihre Entstehungsgeschichte ist, dass sie ein Streifzug durch die Geschichte der modernen Malerei und der zeitgenössischer Medien sind. Was an ihnen fasziniert, ist, wie sie unterschiedliche Stile und Ausdrucksformen zitieren und gelingend zusammenführen. Zu sehen sind Köpfe in kreischenden Farben und in sanfter Modulation, präzise ausgeführt und abstrahierend verwischt. In ein Gesicht malt er ein schwefliges Van-Gogh-Gelb einen existenziellen Schrecken, ein anderes erinnert an ein hochfahrendes Baselitz-Porträt.
 
Im Erdgeschoss des Museums zeigt Werner Pokorny seine beeindruckenden Gefäße und Häuser. Mit der Kettensäge hat er ihre Formen aus braunem und schwarz gebranntem afrikanischem Holz gearbeitet. Schafft er dabei hoch aufragende, kegelförmige Werke, sind sie nicht selten von einem Haus gekrönt. Sie wirken wie archaische Idole und zugleich wie abstrakte Porträts des Menschen. Die Gleichsetzung von Gefäß und Körper ist ja ein altes Motiv der Kunst. Aber auch Häuser sind in symbolischer Weise Porträts des Menschen, drückt sich in ihnen doch aus, wie wir uns sehen und wie wir von anderen gesehen werden wollen.
 
Insofern kennt der Künstler in seinen Werken zwei Temperamente, die er in konträrer Weise und unterschiedlichen Materialien realisiert. Den in sich ruhenden Typus, behäbig, auch ziemlich unlebendig, aus Holz und den dynamischen, vitalen, tänzerischen Typus aus rostendem Corten-Stahl. Aus ihm weiß der Bildhauer Pokorny lebenspralle Porträts von sich durchdringenden Elementen zu formen. Von Häusern, die Spitze tanzen oder gar auf dem Kopf stehen.
 
Auch sonst geht es recht lebhaft zu im Celler Kunstmuseum. Noch nie waren so viele Kinder und Schüler zu Besuch wie in den ersten Wochen des neuen Jahres. Das hat mit dem Programm des Museumsleiters Robert Simon zu tun. Es gibt neuerdings ein Lichtkunstlabor für Jugendliche, spannende Kunstprogramme und Malwettbewerbe. Man kann dort Kindergeburtstag feiern, was viele gerne tun, und dabei spielend Kunst erleben. Das Museum agiert nicht nur vorbildlich, sondern ist selbst auch ein Porträt der Vorstellungen und Vorlieben seines aus Hannover stammenden Direktors.
 
Rolf Bier und Werner Pokorny. Bis zum 31. Mai Im Kunstmuseum Celle, Schlossplatz 7