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Magische Bildreiche, kühles Kalkül

Ausstellung „Die Dämmerung, Tim Berresheim & Hartmut Neumann“ im Kunstmuseum Celle

Raumillusion trifft auf Zukunftsvision: in der Ausstellung „Die Dämmerung. Tim Berresheim & Hartmut Neumann“ prallem Welten aufeinander: Mausklick auf Pinselstrich, digital generierte Bilder auf klassische Ölmalerei. Gemeinsam ist ihnen das magische Reich zwischen Dunkel und Hell.

Cellesche Zeitung, 18.06.2011 – von Aneka Schult

Magische Bildreiche, kühles KalkülCELLE. Der Titel „Dämmerung“, ein physisches und psychisches Problem, die ganz große Klammer, fasst die 33 großformatigen Kunstwerke von Hartmut Neumann, Jahrgang 1954, und Timm Berresheim, Jahrgang 1975, unter einem licht- und schattenspezifischen Kontext zusammen, die  ab Sonntag im Kunstmuseum Celle mit Sammlung Robert Simon zu sehen sind.

Als ihr eigenes Abschlussprojekt kuratiert von Diana Chwalczyk, wissenschaftlich Mitarbeiterin des Hause, finden die Arbeiten beider Künstler völlig konträrer Technikansätze ganz individuelle Wege, um sich – und das ist der Reiz des Gezeigten – formal wie inhaltlich auf einer aktuellen wie Zeit enthobenen Ebene zu treffen. Es sind dies Momente wie der surreale Raum und die Illusion, Wahrheit und Täuschung, eine tiefe Romantik, heraufbeschworen von Neumann mittels der klassischen Malerei und eine kühl durchkalkulierte mediale Durchdringung unserer sowie einer utopisierten Welt bei Berresheim, die verbinden. „Nichts geschieht zufällig“, sagt der in Aachen lebende Künstler. „Ich gehe nach einem festen Algorithmus vor“. Neumann bringt eine andere Art der Entscheidung ins Bild, immer das Wissen um eine andere Art der Entscheidung ins Bild, immer das Wissen um die neuen Möglichkeiten mit einbeziehend. Ordnung und Chaos, Detail und Ornament, Licht und Farbe sind die Koordinaten auf dem Weg in die Bildwelten der Künstler. Zwei Künstlergenerationen, zumal Lehrer und Schüler, nutzen ihre Ausdrucksmittel und Ausdrucksbedürfnisse, um sich in Gedankenspiralen und –fluchten zu treffen, wo die Wege bald hinter den Bilder verschwinden und die Bildkraft alleiniges Bestandskriterium bleibt.

Elemente der Musik melden sich zu Wort. So ist Berresheim auch musikalisch aktiv und setzt die Ausreizung der medialen Chancen im elektronischen Kosmos der der Töne fort. Neumann lässt florale Kräfte sprießen, bändigt aber diese Explosionen. Dass die Künstler bewusst und ob der Unüberwindbarkeit der Kunstgesetze Kontrapunkte setzten wie Schwarz und Weiß, diffuses Licht und Tiefenschärfe, Interieur und Weite, Trompe-l´oeil und emotionslose Berechenbarkeit, macht ihre Arbeiten so vielschichtig lesbar und gewährt spannende Dialogsprünge zwischen beider Vorstellungswelten, die sich im schillernd diffusen Raum der Zukunftsvision bündeln. Es dämmert leise.

Zur Realsierung der Gemeinschaftsausstellung schlug Neumann, lebend in Köln und Professor an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, der mit eignen Werken in der Sammlung Robert Simon vertreten war, Tim Berresheim vor. Eigens  für die Ausstellung wurden Arbeiten geschaffen, die die „Dämmerung“ (gloaming) im Titel tragen wie Neumanns analoge Fotografien und Berresheims Diasecs – phantastische Lichterscheinungen, ausgeklügelte Kompositionen.