Seiteninhalt

»Wie kommt die Laterne aufs Dach?«

Celler Museum zeigt künstlerische Blicke auf die Stadt

Cellesche Zeitung, 06.06.2016 - von Rolf-Dieter Diehl

CELLE. Wenn erst einmal einer nach oben guckt, dann richten nach und nach immer mehr Menschen ihren Blick nach oben, schon allein, um zu schauen, was es dort wohl zu sehen gibt. Das war am Freitag am Schloßplatz nicht anders, als von der Dachterrasse auf dem Kubus des Kunstmuseums eine dort liegende Straßenlaterne quasi auf „das Treiben dort unten“ blickte. Die 34 baugleichen Straßenlaternen, die schon seit über 50 Jahren den Gehweg beleuchten, seinerzeit von einer Celler Kupferschmiede speziell angefertigte Unikate, die haben bisher kaum auf sich aufmerksam gemacht. Aber diese eine, die sich jetzt da oben buchstäblich quergelegt hat, die wurde schon innerhalb weniger Stunden über hundert Mal in die Welt hinausgepostet, verbunden mit der Frage: „Wie kommt die Laterne auf das Dach?“

Die Besucher der Vernissage zur zweigeteilten Ausstellung „Aus Leuchten – Stadt in Sicht“ bekamen die Antwort am Freitagabend im Kunstmuseum Celle aus erster Hand. Die Brüder Maik und Dirk Löbbert, deren künstlerische Konzepte Dokumente ihrer präzisen Beobachtung und ihres subtil-intelligenten Humors sind, versuchen gerne, „mit charmantem Augenzwinkern“ – wie Kuratorin Julia Otto beschreibt – das Verborgene und Übersehbare in den Fokus zu rücken. Und bei dieser ortsspezifischen Installation haben sie sich die Laternen am Schloßplatz ausgewählt. Tagsüber ist sie ein nunmehr – so Otto – „vorwitzig über das Sims ragendes“ Teil des alltäglichen Straßenbildes, nachts wird sie zum interaktiven Teil einer kunstvollen Licht-Installation und zieht den Blick auch auf die anderen Laternen.

Die Stadt als Lebensraum und Funktionsfeld, das uns täglich umgibt, ist das Thema der Ausstellung, erläuterte Otto in ihrer Einführung. Vieles von dem, was eine Stadt ausmacht, sei uns „so selbstverständlich, dass wir es kaum wahrnehmen“. Straßenverläufe, Fassaden, Beleuchtung, alles werde zur Gewohnheit. Umso faszinierender ist der künstlerische Blick auf eine Stadt. Die Löbberts – beide haben seit 15 Jahren eine Professur an der Kunstakademie Münster – sichten Charakter, Strukturen und Zusammenhänge einer Stadt und werfen dann einen gezielten Blick hinter die Wahrnehmungsleitplanke. Beispiele ihrer Arbeiten mit Straßenlaternen – darunter „Neulicht am See“, ein nachtaktives Kunstprojekt rund um den Maschsee in Hannover (2009) – sind als Retrospektive im Medienraum des Museums zu sehen.

Der zweite Teil der Ausstellung ist dem Künstler Ralph Fleck gewidmet, seit 2003 Professor an der Kunstakademie Nürnberg. Sein künstlerisches Medium ist die klassische Ölmalerei. Dabei kombiniert er einen beeindruckend pastosen Farbauftrag mit der präzisen Dokumentation von Ausschnitten der ihn (und uns) umgebenden Kulturlandschaft. Mal lässt er die Betrachter seiner Bilder das Phänomen „Stadt“ in Frontalkonfrontation erleben, mal schwebt man mit ihm in Vogelperspektive über die Dächer. „Aus der Entfernung konkretisiert sich das Motiv“, veranschaulicht Otto, „aber je näher man dem Bild kommt, desto mehr zerfällt der Bildgegenstand.“ Ein Dach, ein Balkon, ein Baum, ein parkendes Auto werden zu einem flirrenden Spiel in einer emotions- und spannungsgeladenen Farblandschaft.